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Edward Bellamy - Das Jahr 2000 - Ein Rückblick auf das Jahr 1887 (1888)
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Zwölftes Kapitel

Die Fragen, die ich zu fragen hatte, bevor ich auch nur oberflächlich mit den Institutionen des zwanzigsten Jahrhunderts bekannt werden konnte, waren endlos, und da auch Dr. Leete gut aufgelegt schien, saßen wir, nachdem die Damen uns verlassen hatten, noch mehrere Stunden beisammen und plauderten. Ich erinnerte meinen Wirt an den Punkt, wo unser Gespräch heute morgen abgebrochen hatte und sprach meinen Wunsch aus, zu erfahren, wie die Organisation der industriellen Armee einen genügenden Antrieb zum Fleiß haben könne, da der Arbeiter wegen seines Unterhalts gar keine Sorge zu haben brauche.
»Sie müssen wissen«, erwiderte der Doktor, »dass Anregung zum Fleiß nur eines der Ziele ist, die wir in der Organisation der Armee verfolgen. Das andere, gleich wichtige, ist, uns für die Führer und Hauptleute der Armee und die hohen Offiziere der Nation, Männer von erprobter Fähigkeit zu versichern, welche durch ihre eigene Karriere verpflichtet sind, ihre Nachfolger zur Erreichung höchster Vollkommenheit in ihrer Arbeit anzuhalten und kein Zurückbleiben zu dulden. Im Hinblick auf diese zwei Ziele sind die sämtlichen Mitglieder der Armee in vier allgemeine Klassen geteilt. Erstens, die gewöhnlichen Arbeiter, welche jede Art von Arbeit, meistens die gröbere zu tun haben. Hierhin gehören alle Rekruten in den ersten drei Jahren. Zweitens, die Lehrlinge, wie diejenigen genannt werden, welche im ersten Jahre nach der ersten Klasse stehen, und die Anfangsgründe ihres gewählten Berufs erlernen. Drittens, die Hauptkraft der vollen Arbeiter, bestehend aus Männern zwischen 25 und 45 Jahren. Viertens, die Offiziere, von den niedrigsten Chargen, welche die Arbeiter beaufsichtigen, bis zu den höchsten. Diese vier Klassen stehen sämtlich unter einer verschiedenen Form von Disziplin. Die nicht in Klassen eingereihten Arbeiter, welche allerlei Arbeit tun, können nicht so streng klassifiziert werden, als im späteren Verlauf. Man nimmt an, dass sie in einer Art Schule sind, wo sie sich industrielle Tugenden aneignen. Nichtsdestoweniger wird über jeden einzeln Buch geführt, wer sich hervortut, wird ausgezeichnet und darf in seiner späteren Karriere auf Beförderung rechnen, ähnlich, wie zu Ihrer Zeit ein akademischer Grad förderlich war. Darauf folgt das Lehrlingsjahr. Im ersten Quartal hat der Lehrling die Anfangsgründe seines Berufs zu lernen, aber in den letzten drei Quartalen wird über ihn berichtet, um bestimmen zu können, in welchen Grad unter den Arbeitern er eingereiht werden soll, wenn er ein fertiger Arbeiter geworden ist. Es mag auffallen, dass der Ausdruck Lehrzeit in allen Geschäften gebraucht wird, aber das geschieht mit Rücksicht auf die Uniformität des Systems, und hat praktisch dieselbe Wirkung, als wenn der Ausdruck je nach der Schwierigkeit der Arbeit sich änderte. Denn bei Geschäften, die in einem Jahre nicht vollständig erlernt werden können, kommt der Lehrling in den geringeren Grad der fertigen Arbeiter und arbeitet sich empor, je geschickter er wird. Die fertigen Arbeiter sind je nach ihrer Geschicklichkeit in drei Grade geteilt, und jeder Grad in eine erste und zweite Klasse, so dass es im ganzen sechs Klassen gibt, in welche die Männer in Rücksicht auf ihre Fähigkeit eingeteilt werden.
Um die Prüfung der Befähigung zu erleichtern, wird jede industrielle Arbeit, wenn irgend möglich, und selbst wenn es Schwierigkeit haben sollte, durch Stückarbeit verrichtet, und wenn dies absolut unmöglich sein sollte, so wird der möglichst beste Ersatz gewählt, die Befähigung zu bestimmen. Die Männer werden jährlich neu in Grade geteilt, so dass das Verdienst nicht lange auf Beförderung zu warten hat, auch kann niemand durch Berufung auf frühere gute Arbeit verhindern, dass er degradiert werden könnte. Die Resultate der jährlichen Gradeinteilung geben den Rang jedes Mannes in der Armee an und werden öffentlich bekannt gemacht.
Abgesehen von dem großen Reizmittel zur Anstrengung, dass nämlich die höchsten Stellen in der Nation nur den obersten Klassenmännern offen stehen, gibt es noch verschiedene untergeordnete, aber vielleicht nicht minder wirksame Reizmittel, nämlich besondere Privilegien und Freiheiten bezüglich der Disziplin, welche den sich hervortuenden Klassenmännern gewährt werden. Obgleich diese im ganzen nicht wichtig sind, halten sie doch jedem Mann die Annehmlichkeit vor Augen, den nächsthöheren Grad erreichen zu können.
Es ist aber auch wichtig, dass nicht nur die guten, sondern auch die gleichgültigen und schlechten Arbeiter den Ehrgeiz hegen sollten, befördert zu werden; und da die Zahl der letzteren soviel größer ist, erscheint es sogar noch wichtiger, dass das Rangsystem nicht dazu dienen darf, sie zu entmutigen, als dazu, dass es die anderen anreize. Zu dem Ende sind die Grade in Klassen eingeteilt. Da die Klassen an Zahl der Mitglieder gleich sind, so ist niemals mehr als ein Achtel der ganzen Armee in der niedrigsten Klasse und die meisten davon sind neue Lehrlinge, welche alle zu steigen wünschen. Um die nicht sehr Begabten noch mehr zu ermuntern, ihr Bestes zu tun, verliert ein Mann, der erst einen höheren Grad erreicht hatte, aber in einen tieferen zurückgefallen war, die Frucht seiner Anstrengung nicht, sondern behält seinen früheren Rang, wie eine Art Gnadenbrief. Der Erfolg ist, dass diejenigen, welche keinen Preis zur Befriedigung ihres Stolzes erringen und während der ganzen Dienstzeit in der untersten Klasse bleiben, nur einen verschwindenden Bruchteil der industriellen Armee ausmachen und ebenso unfähig sind, ihre geringere Stellung zu empfinden, als sie zu bessern. Es ist nicht einmal notwendig, dass ein Arbeiter zu einem höheren Grade befördert werde, um wenigstens eine Idee von Ruhm zu gewinnen. Während nämlich Beförderung eine allgemeine Vortrefflichkeit eines Arbeiters erheischt, so wird öffentliche Belobung und sonstige Auszeichnung für Leistungen gewährt, welche noch nicht für Beförderung ausreichen, so auch für einzelne Arbeiten in den verschiedenen Industriezweigen. Man beabsichtigt, dass keinerlei Verdienst der Anerkennung entbehren soll.
Was nun Nachlässigkeit in der Arbeit, entschieden schlechte Arbeit und andere offene Verstöße von Seiten der Männer betrifft, welche edlerer Beweggründe unfähig sind, so ist die Disziplin viel zu streng, als dass derartiges häufig vorkommen könnte. Ein Mann, der fähig ist, seine Pflicht zu tun und dies hartnäckig verweigert, wird aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen.
Der niedrigste Grad der Offiziere in der Armee, der von Hilfsvorarbeitern oder Lieutenants, ist aus Männer gebildet, die zwei Jahre lang in der obersten Klasse des obersten Grades gewesen sind. Wo dies einen zu großen Spielraum für die Wahl lässt, ist bloß die erste Gruppe dieser Klasse wählbar. Auf diese Weise kommt niemand dazu, Leute zu kommandieren, der nicht ungefähr 30 Jahre alt ist. Wenn ein Mann Offizier wird, so ist seine Schätzung nicht mehr von seiner eigenen Arbeit, sondern von der seiner Leute abhängig. Die Vorarbeiter werden mit Beobachtung derselben Vorsicht aus den Hilfsvorarbeitern einer kleinen wählbaren Klasse gewählt. Bei Anstellung der höheren Grade wird ein anderes Prinzip angewendet, dessen Erläuterung uns jetzt zu lange aufhalten würde.
Die Anwendung eines solchen Systems bei den kleinen industriellen Geschäften Ihrer Zeit würde natürlich unpraktisch gewesen sein, da in einigen dieser Geschäfte kaum genug Leute beschäftigt waren, um mehr als einen in die Klassen zu verteilen. Sie wissen, dass unter der nationalen Arbeitsorganisation alle Industriezweige von großen Massen betrieben werden, so dass Hunderte von Ihren Farmen und Werkstätten zu einer verbunden sind. Der Oberaufseher bei uns ist so viel wie ein Hauptmann oder sogar ein General in Ihren Armeen.
Und nun, Mr. West, will ich es Ihnen überlassen, nach der nackten Skizze, die ich Ihnen gegeben habe, zu beurteilen, ob diejenigen, welche eine Anregung brauchen, ihr Bestes zu tun, dieselbe wohl unter unserem System entbehren.«
Ich erwiderte, es scheine mir, wenn ich Bedenken äußern sollte, als wären die Anregungsmittel zu stark; als wäre der den jungen Männern vorgeschriebene Gang zu schnell, und dies würde auch meine Ansicht bleiben (wollte ich in aller Bescheidenheit beifügen), wenn ich länger hier wohnen bliebe und mit dem Gegenstand mich eingehender würde bekannt gemacht haben.
Dr. Leete dagegen gab mir zu bedenken (und ich will gern zugeben, dass dies vielleicht eine hinreichende Erwiderung auf mein Bedenken ist), dass der Lebensunterhalt des Arbeiters in keiner Weise von seinem Range abhängig sei und Sorge darum seine Enttäuschungen im Range nicht verschärfe; dass die Arbeitsstunden kurz, die Ferien regelmäßig seien und dass jeder Wetteifer mit 45 Jahren, der Erlangung des mittleren Lebensalters, aufhöre.
»Es gibt noch zwei oder drei Punkte, auf die ich hinweisen muss«, fügte er bei, »damit Sie keine falschen Eindrücke erhalten. Erstens widerspricht dieses System, dass der bessere Arbeiter dem weniger guten vorgezogen wird, keineswegs der Grundidee unseres sozialen Systems, wonach alle, die ihr Bestes tun, gleich würdig sind, das Beste sei nun groß oder klein. Ich habe Ihnen gezeigt, dass das System dem Schwachen so gut wie dem Starken die Hoffnung gibt, zu steigen und der Umstand, dass die Stärkeren zu Leitern gewählt werden, soll kein übles Licht auf den Schwächeren werfen, sondern geschieht im Interesse des Staates.
Glauben Sie auch nicht, weil dem Wetteifer als einem Mittel zur Anregung freies Spiel gegeben ist, wir hielten ihn für ein Motiv, auf das die besseren Arbeiter sich berufen könnten oder das ihrer würdig wäre. Solche finden ihre Motive in sich, nicht außer sich, und bemessen ihre Pflicht nach ihren eigenen Fähigkeiten, nicht nach denen anderer. Solange ihre Leistung mit ihren Kräften im Verhältnis steht, würden sie es für widersinnig halten, Lob oder Tadel zu erwarten, weil sie zufällig groß oder klein ist. Solchen Naturen erscheint Wetteifer töricht in philosophischer, und verächtlich in moralischer Beziehung, weil er, je nachdem man die Erfolge oder Misserfolge anderer ansieht, Neid für Bewunderung, und Freude für Bedauern substituiert.
Aber alle Männer, selbst im letzten Jahre des 20. Jahrhunderts, sind nicht von so hoher Gesinnung, und die Anregungsmittel für diejenigen, welche es nicht sind, müssen niedrigeren Naturen angepasst sein. Für diese ist der schärfste Wetteifer ein beständiger Sporn. Diejenigen, welche dieses Motiv nötig haben, werden ihn fühlen. Diejenigen, welche erhaben über dessen Einfluss sind, haben ihn nicht nötig.«
»Ich sollte noch erwähnen«, fuhr der Doktor fort, »dass wir für diejenigen, denen es an geistiger oder körperlicher Kraft fehlt, um mit der Gesamtheit der Arbeiter abgestuft zu werden, eine besondere Stufe haben, die mit den anderen nicht in Verbindung steht - eine Art Invalidenkorps, dessen Mitglieder leichtere, ihren Kräften angemessene Aufgaben haben. Alle unsere körperlich und geistig Kranken, Taubstummen, Lahmen, Blinden und Krüppel, sogar die Wahnsinnigen gehören zu diesem Korps und tragen die Abzeichen desselben. Die Kräftigsten tun oft Mannesarbeit, die Schwächsten natürlich nichts; aber keiner, der nur irgend etwas tun kann, ist geneigt die Arbeit ganz aufzugeben. Selbst die Wahnsinnigen sind in lichten Zwischenräumen begierig zu tun was sie können.«
»Das ist ein guter Gedanke mit dem Invalidenkorps«, sagte ich, »den kann selbst ein Barbar des 19. Jahrhunderts anerkennen. Es ist eine sehr anmutige Art und Weise, Mildtätigkeit zu verdecken und muss bei den Empfängern sehr dankbare Gefühle erregen.«
»Mildtätigkeit!« rief Dr. Leete. »Denken Sie, wir betrachten die Klasse der Unfähigen, von der wir sprechen, als Gegenstand der Mildtätigkeit?«
»Nun, natürlich«, sagte ich, »insofern sie unfähig sind, sich selbst zu erhalten.«
Hier unterbrach mich aber der Doktor schnell.
»Wer ist fähig, sich selbst zu erhalten?« fragte er. »So etwas wie Selbsterhaltung gibt es in einer zivilisierten Gesellschaft nicht. In einem so barbarischen Zustande der Gesellschaft, wo man nicht einmal Familien-Assoziation kennt, kann möglicherweise jedes Individuum sich selbst erhalten, aber auch da nur während eines Teiles seines Lebens; aber von dem Augenblick an, da die Menschen beginnen zusammenzuleben und auch nur die einfachste Art von Gesellschaft zu bilden, wird Selbsterhaltung unmöglich. Sobald die Menschen mehr zivilisiert werden und die Unterabteilung der Beschäftigungen und Dienste durchgeführt ist, wird eine zusammengesetzte gegenseitige Abhängigkeit die allgemeine Regel. Jeder Mensch, so zurückgezogen er in seiner Beschäftigung auch sein mag, ist ein Mitglied einer ungeheuren Genossenschaft, die so groß ist, wie die Nation, so groß wie die ganze Menschheit. Die Notwendigkeit gegenseitiger Abhängigkeit sollte die Pflicht und Sicherheit gegenseitiger Hilfe in sich fassen; und dass dies in Ihrer Zeit nicht der Fall war, bildete die wesentlichste Grausamkeit und Unvernunft Ihres Systems.«
»Das mag alles wahr sein«, erwiderte ich, »aber es berührt nicht diejenigen, die unfähig sind, zu dem Produkt der Industrie etwas beizutragen.«
»Gewiss; ich dachte, ich hätte Ihnen heute morgen gesagt«, entgegnete Dr. Leete, »dass das Recht eines Menschen, an der Tafel der Nation zu speisen, darauf beruht, dass er eben ein Mensch ist, und nicht darauf, wie gesund oder stark er ist, solange er nur sein Bestes tut.«
»Das haben Sie allerdings gesagt«, antwortete ich, »aber ich dachte, die Regel finde nur auf die Arbeiter von verschiedener Fähigkeit Anwendung. Bezieht sie sich auch auf die, welche gar nichts tun können?« »Sind sie nicht auch Menschen?« »So sind also die Lahmen, Blinden, Kranken und Unfähigen so gut daran, wie alle Fähigen, und beziehen dasselbe Einkommen?« »Natürlich«, war die Antwort.
»Ü ber eine Mildtätigkeit in solchem Verhältnis«, sagte ich, »hätten unsere begeistertsten Philanthropen Mund und Augen aufgerissen.«
»Wenn Sie einen kranken Bruder zu Hause hätten«, entgegnete der Doktor, »unfähig zur Arbeit, würden Sie ihm weniger schmackhafte Kost, schlechtere Wohnung und Kleidung geben, als Sie selbst haben? Viel wahrscheinlicher würden Sie ihm das Beste geben, ohne von Mildtätigkeit zu sprechen. Würde nicht der Ausdruck in dieser Verbindung Ihren Unwillen erregen?«
»Gewiss«, erwiderte ich, »aber die Fälle sind nicht parallel. In einem gewissen Sinne sind alle Menschen Brüder; aber diese allgemeine Brüderschaft ist, außer für rhetorische Zwecke, nicht mit Blutsverwandtschaft, ihren Gefühlen und Verbindlichkeiten zu vergleichen.«
»Hier spricht das 19. Jahrhundert aus Ihnen!« rief Dr. Leete. »O, Mr. West, es kann kein Zweifel mehr sein, wie lange Sie geschlafen haben. Sollte ich Ihnen in einem Worte den Schlüssel zu den Geheimnissen unserer Zivilisation im Vergleich mit derjenigen Ihrer Zeit geben, so würde ich sagen, dass die Solidarität des Menschengeschlechts und der menschlichen Brüderschaft, die bei Ihnen nur schöne Phrasen waren, nach unserem Sinn und Gefühl so wirkliche und lebendige Bande sind, als die des Blutes.
Aber abgesehen hiervon, kann ich nicht verstehen, warum es Sie so überrascht, dass denjenigen, welche nicht arbeiten können, das volle Recht gewährt wird, von dem Erwerb derer zu leben, welche es können. Auch in Ihrer Zeit war der Militärdienst zum Schutze der Nation, dem doch unser industrieller Dienst entspricht, obligatorisch für diejenigen, die ihn leisten konnten, und beraubte die Unfähigen nicht der Vorteile des Bürgerrechtes. Sie blieben zu Hause, und wurden von denen, die sich schlugen, beschützt, und niemand stellte ihr Existenzrecht in Frage oder dachte geringer von ihnen. So beraubt jetzt das Verlangen industrieller Dienstleistung von denen, die sie tun können, nicht diejenigen, welche nicht arbeiten können, der Vorteile des Bürgerrechts, zu denen der Unterhalt gehört. Der Arbeiter ist nicht ein Bürger weil er arbeitet, sondern arbeitet weil er ein Bürger ist. Wie Sie die Pflicht des Starken anerkannten, für den Schwachen zu kämpfen, so erkennen wir jetzt, da es keine Kriege mehr gibt, die Pflicht an, für ihn zu arbeiten.
Eine Lösung, die nicht vollständig ist, ist keine Lösung, und unsere Lösung des Problems der menschlichen Gesellschaft würde keine gewesen sein, hätten wir die Lahmen, Kranken und Blinden unberücksichtigt gelassen, um wie die wilden Tiere zu leben. Besser, wir hätten die Starken und Gesunden unversorgt gelassen, als diese Belasteten, für welche jedes Herz Mitleid fühlen muss und für deren geistiges und körperliches Behagen vor allem anderen gesorgt werden sollte. So kommt es, wie ich Ihnen heute morgen gesagt habe, dass der Anspruch jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes auf die Existenzmittel, auf keiner weniger klaren, breiten und einfachen Grundlage beruht, als dass sie Genossen des menschlichen Geschlechts - Glieder einer menschlichen Familie sind. Die einzig gültige Münze ist das Ebenbild Gottes, und diese ist gut für alles was wir haben.
Für moderne Anschauungen ist kein Zug in der Zivilisation Ihrer Epoche so abstoßend, glaube ich, als wie Sie Ihre abhängigen Klassen vernachlässigt haben. Selbst wenn Sie kein Erbarmen, kein Gefühl der Brüderlichkeit hatten, wie war es möglich, nicht zu sehen, dass Sie die Unfähigen ihres klaren Rechtes beraubten, wenn Sie nicht für sie sorgten?«
»Ich kann Ihnen hier nicht ganz folgen«, sagte ich. »Ich erkenne den Anspruch dieser Klasse auf unser Mitleid an, aber wie konnten diejenigen, welche nichts leisteten, ein Recht auf Anteil am Erwerb haben?«
»Wie kam es denn«, war Dr. Leetes Antwort, »dass Ihre Arbeiter mehr leisten konnten, als so viele Wilde würden getan haben? Kam es nicht lediglich von der Erbschaft früheren Wissens und früherer Werke des Menschengeschlechts, der Maschinerie der Gesellschaft, die Tausende von Jahren zu ihrer Entwicklung gebraucht hatte, die Sie fertig vorgefunden haben? Wie kamen Sie zu dem Besitz dieses Wissens, dieser Maschinerie, welcher in dem Werte Ihres Erwerbes neun Teile ausmacht gegen einen, den Sie selbst beitrugen? Sie haben ihn geerbt, nicht wahr? Und waren nicht jene anderen, die unglücklichen, verunstalteten Brüder, die Sie ausstießen, Ihre Miterben? Was haben Sie mit Ihrem Anteil gemacht? Haben Sie sie nicht beraubt, wenn Sie ihnen Brotrinden zuwarfen, während sie berechtigt waren, mit den Erben zu Tisch zu sitzen, und fügten Sie nicht Beleidigung zum Raub, wenn Sie diese Brotrinden Mildtätigkeit nannten? - O, Herr West«, fuhr Dr. Leete fort, da ich nicht antwortete, »abgesehen von Gerechtigkeit oder brüderlichem Gefühle gegen die Krüppel und Kranken, so verstehe ich nicht, wie die Arbeiter Ihrer Zeit ein Herz für ihre Arbeit haben konnten, da sie doch wussten, dass ihre Kinder und Kindeskinder, wenn sie Unglück haben sollten, der Annehmlichkeit und selbst der Notdurft des Lebens beraubt sein würden. Es ist mir ein Geheimnis, wie Männer mit Kindern ein System begünstigen konnten, durch das sie mehr belohnt wurden, als die körperlich und geistig Schwächeren. Denn durch denselben Unterschied, durch welchen der Vater Vorteil hatte, konnte sein Sohn, für den er sein Leben gegeben hätte, da er vielleicht schwächer als andere, dem Mangel und der Armut in die Arme getrieben werden. Wie die Menschen wagen konnten, Kinder zu hinterlassen, ist mir stets unerklärlich gewesen.«

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